(Letzte Aktualisierung: 10.06.2024)
Der Bundestag wird in Wahlkreisen und Ländern gewählt. Nach der Wahl müssen die Mandate daher auf 299 Direktkandidaten und (bei sechs Parteien über der Fünf-Prozent-Hürde) 96 Landeslisten verteilt werden. Dies gerecht zu gestalten, ist sehr schwer. Das Bundeswahlgesetz war daher schon des öfteren Gegenstand von Reformdiskussionen und Gerichtsentscheidungen.
Hier geht es darum um das komplizierte Verfahren, die Wahlstimmen von zig Millionen Bürgern in Bundestagsmandate umzurechnen und zudem festzustellen, welche der Kandidaten nun zum Zug kommen.
Inhalt
Erhalten erfolgreiche Direktkandidaten ihr Mandat, auch wenn die Partei unter 5 % bleibt?
Ja, solche Direktmandate bleiben erhalten (§ 5 Satz 2 und § 6 Abs. 1 Satz 2 BWahlG). In diesem Fall handelt es sich praktisch um isolierte Überhangmandate.
Dies stellt einen Unterschied zum bayerischen Landtagswahlrecht dar, bei dem solche Direktkandidaten kein Mandat erhalten.
In diesem Fall zählen aber die Zweitstimmen dieser Wähler nicht. Ansonsten könnten diese nämlich mit ihrer Erststimme Direktkandidaten in den Bundestag bringen, die dann aber nicht auf die mit der Zweitstimme gewählten Listenkandidaten angerechnet werden. Im Ergebnis hätten diese Wähler also bei taktischer Stimmabgabe ein doppeltes Stimmgewicht.
Was ist die Grundmandatsklausel?
Die Grundmandatsklausel besagt, dass eine Partei auch unter 5 % der Zweitstimmen mit Landeslistenmandaten in den Bundestag einzieht, wenn sie drei Direktmandate erreicht hat. Diese Regelung steht derzeit in § 6 Abs. 3 des Bundeswahlgesetzes.
In den Bundeswahlgesetzen für die Wahlen 1949 und 1953 (§ 9 Abs. 4 BwahlG) war noch ein einziges Direktmandat ausreichend. Mit dem 1956 erlassenen, ab der Wahl 1957 gültigen Bundeswahlgesetz (§ 6 Abs. 4) wurde die Zahl der notwendigen Grundmandate auf drei erhöht.
In welcher Reihenfolge erhalten die Listenkandidaten ihre Mandate?
Die Reihenfolge richtet sich allein nach dem Listenplatz. Persönliche Stimmen gibt es nicht, auch die möglicherweise errungenen Erststimmen haben keinen Einfluss auf den Listenplatz.
Darf es weiterhin Überhangmandate geben?
Ja. Zwar waren die Überhangmandate gerade der Grund für die Verfassungswidrigkeit des alten Bundestagswahlrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat diese jedoch in gewissem Umfang für zulässig erklärt: So sind maximal 15 nicht ausgeglichene Überhangmandate erlaubt.
Im neuen Wahlrecht gibt es gar keine nicht ausgeglichenen Überhangmandate mehr, da für alle Überhangmandate entsprechende Ausgleichsmandate an die anderen Parteien vergeben werden.
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Kann eine Partei unter 5 % der Zweitstimmen auch Fraktionsstatus bekommen?
Ja, das ist denkbar.
Sofern eine Partei unter der Fünfprozenthürde bleibt, aber drei Direktmandate erhält, zieht sie trotzdem entsprechend ihrer Zweitstimmenzahl in den Bundestag ein (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG).
Um eine Fraktion im Bundestag zu sein, müssen diese Abgeordneten aber mindestens fünf Prozent der Gesamtmitgliederzahl des Bundestags darstellen. Das ist nicht zwangsläufig so, da die Partei ja weniger als fünf Prozent der Stimmen bekommen hat.
Aber: Die fünf Prozent der Zweitstimmen beziehen sich auf alle Parteien, die fünf Prozent der Bundestagsmandate beziehen sich nur auf die in den Bundestag eingezogenen Parteien.
Beispiel:
Die über der Fünfprozenthürde liegenden Parteien kommen zusammen auf 85,3 %. Dazu kommt eine Partei X mit 4,7 % der Zweitstimmen, aber drei Direktmandaten. Die nicht im Bundestag vertretenen sonstigen Parteien kommen auf 10 %.
Damit bekommt Partei X nicht 4,7 % der Bundestagsmandate, sondern 4,7 geteilt durch 90 = 5,22 % der Bundestagsmandate. Denn die ganzen Mandate verteilen sich ja nicht auf die vollen 100 %, sondern nur auf 90 % der Stimmen.
Im Ergebnis hat Partei X Fraktionsstatus.
Was passiert, wenn alle Parteien unter 5 % bleiben?
Erreicht keine Partei die für die Überwindung der Sperrklausel notwendige Stimmenzahl, so können die Listenmandate nicht vergeben werden.
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